Die erste Pfeifenorgel
Aus historischen Schriften der Pfarrei ist zu ersehen, dass bereits am 29. November 1675 eine Pfeifenorgel in St. Vitus nach einer umfangreichen Renovierung fertig gestellt wurde.
Während der Weihnachtsnacht des selben Jahres versagte der frisch renovierten
Orgel ihre Stimme, als das heilige Wetter mit erschrecklich strahlendem Feuer mitten durch die Kirche unter das Volk geschlagen.
Nach dem Neubau der Kirche 1880 wurde auch bald die damalige Orgel in den Jahren 1883 von der Firma Fleiter in Münster für 7.000 Mark gebaut. Das Gehäuse fertigte die Schreinerei Theo Lackmann für 2.025 Mark. Die Gesamtkosten konnten aus dem Vermächtnis der Witwe Schulze Bockolt bezahlt werden. Dazu vermerkt Pfarrer August Dirking nicht ohne Begeisterung in der Pfarrchronik:
Dirking: Also wohl große Summen hat's gekostet. Aber man sieht, was Begeisterung und Opferwilligkeit vermögen. So bleibt es für alle Zeiten der Ruhm der Gemeinde, dass sie fast ganz alleine - ohne fremde Kirchen- und Hauskollekte, welche heutigen Tages für die meisten Kirchenbauten gehalten werden - das hehre Werk zu Stande gebracht hat. Und so besitzt Olfen ein Gotteshaus, wie es für dasselbe Geld nicht leicht überboten wird.
Einige Jahre später, in den Jahren 1908 und 1927, gab es Bestrebungen, die Orgel sowohl im Tonumfang als auch an Registern zu erweitern.
Nach dem ersten Weltkrieg erlebte der Chorgesang in den katholischen Kirchen einen ungeahnten Aufstieg. Die Chorsänger der St. Vitus-Gemeinde begleiteten viele Messen nicht nur zu Hochfesten und hatten ihren Platz auf der doch zu engen Orgelempore über der Josephskapelle.
Man entschloss sich nach vielen Beratungen und Überlegungen im Frühjahr 1929 zwischen den beiden hinteren Turmpfeilern eine neue größere Empore für die Orgel und die Chöre zu bauen.
Die Bauausführung lag in den Händen des Maurermeisters Hermann Bester.
Die Orgel wurde von der Orgelbaufirma Fleiter umgestellt und mit einem neuen elektrischen Windmotor versehen. Außerdem wurde sie um zwei Register erweitert.
Um die optische Gestaltung der Orgel der Form des Westfensters anzupassen, wurden die Gehäuseteile seitenverkehrt aufgestellt.
Aus Kostengründen wurden die Holzteile beim Umbau unverändert übernommen, die räumliche Anordnung der Pfeifen dennoch grundlegend geändert.
Die Verbindungen von den Tasten zu den Pfeifen mussten wegen der geänderten Aufstellung umgeleitet und verlängert werden.
Durch die geteilte Aufstellung des Orgelgehäuses war die Anordnung der Pfeifen akustisch nachteilig, der Klang der Orgel konnte sich nicht richtig entfalten und kam nur stark reduziert im Kirchenraum an.
Der Kirchenchor konnte die Kosten durch Sammlungen, Verlosungen und Spenden zusammentragen.
Die Orgel mit 24 Registern wird durch die Orgelbauer Friedrich und Friedhelm Fleiter aus Münster ausgebaut und gründlich überholt. Sie wird das erste Mal am Palmsonntag gespielt.
Die Kosten betragen fast 90.000 DM.
1995 - musste ein Register der Orgel ausgetauscht werden.
Angestoßen durch die Kirchenmusikerin Christine Leicht gründete sich der Verein Pro Organo mit dem Ziel, Spenden für die Restaurierung der Orgel zu sammeln.
Nach mehr als 12 Jahren Planung und Vorbereitung wurde 2015 die Orgel erneuert. Dabei wurden 10 erhaltenswerte Register des bisherigen Instruments mit 20 Registern einer historischen englischen Orgel der Firma Willis & Sons in der Orgelbauwerkstatt Siegfried Merten in Remagen zu einer neuen Orgel zusammengeführt. Durch diese besondere Mischung besitzt unsere Pfarrkirche jetzt ein in weitem Umkreis einmaliges Instrument.
Fotos: CHR
Fotos: CHR
Generalvikar Norbert Kleyboldt weihte am 1. Adventssonntag 2015 um 10:30 Uhr die Orgel.
Am selben Tag lud “Pro Organo e.V.“ um 17:00 Uhr zu einem festlichem Orgelkonzert mit dem Organisten Ansgar Wallenhorst ein.
Siegfried Merten schreibt zu der neuen Orgel:
Der Weg hin zu einer neuen Orgel ist sicherlich auch immer ein Weg voller Abzweigungen, Hindernisse, Stolpersteine aber auch, wenn alles mit entsprechender Zielstrebigkeit verbunden wird, mit einem lohnenden Ergebnis. Dieses umzusetzen und zu verwirklichen durften wir beim Bau der neuen Orgel für St. Vitus / Olfen realisieren.
Drei wesentliche Punkte sollten bei der Planung einer neuen Orgel als Grundlage dienen:
Auf Basis dieser Aufgabenstellung ergaben sich für mich bei der Konzepterstellung wiederum drei fundamentale Kriterien:
Durch einen glücklichen Zufall konnte ich im Jahr 2013 altes englisches Pfeifenwerk erwerben. Es handelt sich um Pfeifen der Firma Willis & Sons und stammt aus einer Orgel für Lancaster von 1872. Diese Orgel wurde 1950 nach Liverpool verkauft und war dort bis 2012 in Betrieb.
Dieses historische Pfeifenwerk bildet somit den klanglichen Grundstock für das neue Orgelwerk in St. Vitus. Einige Register der ursprünglichen „Fleiter-Orgel“ aus dem Jahr 1883 konnten aus der alten Orgel übernommen werden und somit war die Grundlage für ein schlüssiges Gesamtkonzept geschaffen.
Die Basis der Gestaltung lag in der Wiederverwendung des historischen Untergehäuses, jedoch in gespiegelter, ursprünglicher Aufstellung. Darauf setzt sich ein flächiger Pfeifenprospekt, der durch die drei Turmelemente die dahinter angeordnete Werkaufstellung widerspiegelt – links und rechts Pedalwerk als C und Cs Lade, in der Mitte das Hauptwerk –, das eine Verbindungsbrücke zwischen den Untergehäusen herstellt. Damit ermöglicht man gleichzeitig einen freien Durchgang auf den vorderen Teil der Empore.
Ein bogenförmiger Labien- und Fußlängenverlauf an den neuen Prospektpfeifen in 96%iger Zinn/Bleilegierung (man nennt diese auch „englisches Zinn“) greift die Formgebung der neogotischen Gehäuseelemente auf. Die schlichten, gradlinigen Turmhauben der drei Prospektürme mit geschweiften Gittern, als Verbindungselemente anstelle eines Schleierwerks, symbolisieren das „Neue“.
Der Versuch, die vielen Besonderheiten dieser Orgel zu beschreiben ist groß. Stellvertretend möchte ich hier zwei wesentliche nennen
Egal welche wohlformulierten Beschreibungen man finden würde, es kann niemals das Hörerlebnis im Kirchenraum ersetzen.
Somit kann ich der Gemeinde und allen Kirchenbesuchern nur wünschen, dass möglichst viele bei den Gottesdiensten oder auch künftigen Konzerten dieses „neue Hörerlebnis“ genießen können.
Wir dürfen uns auf diesem Wege bei allen Beteiligten bedanken, die mit zur Entscheidung der neuen Orgel beigetragen haben und uns ihr Vertrauen für die Übernahme dieser Aufgabe geschenkt haben.
Siegfried Merten und Mitarbeiter/-innen
Auflistung entsprechend der Anordnung der Registerschalter im Spieltisch)
II. Manual Swell / A
1. Violin Diapason 8’ Willis
2. Viola da Gamba 8’ Willis
3. Clarabella 8’ Willis
4. Vox coelest 8’ Willis
5. Gemshorn 4’ Willis
6. Rohr Flute 4’ Fleiter
7. Twelfth 2 2/3’ Willis
8. Flute 2’ neu
9. Terz 1 3/5‘ neu
10. Mixtur 3 ranks neu
11. Tremulant / A
II. Manual Swell / B
12. Trumpet harmonique 8’ Willis
13. Oboe 8’ Willis
14. Clarinet 8’ Willis
15. Clairon 4’ Fleiter
16. Tremulant / B
I. Manual Great
C – c‘‘‘‘
17. Bourdon 16’ Willis
18. Open Diapason 8’ C – d’ Prospekt / neu
19. Bourdon 8’ Fleiter
20. Hohl Flute 8’ Willis
21. Principal 4’ Willis
22. Harmonic Flute 4’ Willis
23. Fifteenth 2’ Willis
24. Cornett 5-ranks ab f° Willis / Fleiter
25. Mixtur 3-4 ranks neu
26. Trumpet 8’ Willis
27. Tremulant
28. II/A – I
29. II/B –
I
Pedal
C – f‘
30. Acoustic Bass 32’ als Ex. aus Nr. 32
31. Open Diapason 16’ (C – H Einzelapparat) c° - h° Prospekt / neu
32. Bourdon 16’ (separates Tonventil C – fs° für Ex. Nr. 30) Fleiter
33. Octave 8’ C – H Fleiter; c° – f’ Prospekt / neu
34. Bass Flute 8’ Fleiter
35. Octave 4‘ Fleiter
36. Trombone 16‘ (C – H Einzelapparat) Fleiter
37. I – Ped.
38. II / A – Ped.
39. II / B – Ped.
40. Sub. II/A – II/A
41. Sup. II/A – II/A
42. Sub. II/B – II/B
43. Sup. II/B – II/B
44. Sub. I – I
45. Sup. I – I
46. Sub. II/A – I
47. Sup. II/A – I
48. Sub. II/B – I
49. Sup. II/B - I