Tobias Eckmann - Missionar auf Zeit

Missionare auf Zeit - RN-Foto Glöckner vom 07.07.11

Im August 2011 gingen aus unserer Pfarrgemeinde

Sarah Jacobs nach Peru und
Tobias Eckmann nach Paraguay


09.2011 - Missionar auf Zeit

 

Eine andere Welt – mein Jahr in Paraguay


12. 2011 - Weihnachten im Herzen Südamerikas

Rundbrief Nr. 2 von Tobias Eckmann

Hola,
nachdem ich gute vier Monate in Paraguay lebe möchte ich euch und Ihnen einen Einblick in mein Leben gewähren und von meinen Eindrücken und Erfahrungen berichten.

 

Ich wünsche meiner ganzen Familie, den Big 5, allen meinen Freunden, meinen Mit-MaZlern, meinen Bekannten und meinen Spendern von Herzen frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr 2012.

 

Natürlich wünsche ich allen Messdienerinnen und Messdienern ein fantastisches Ferienlager und eine super Zeit.

 

Viel Spaß beim Lesen,
Euer Tobias


Die Freizeit hat sich in den Ferien geändert, da wir nun nicht mehr vom Mittagessen bis zum Abendessen arbeiten, sondern dank unserer neuen Aufgaben von 9 bis 16 Uhr arbeiten. Somit haben wir zumindest in den Ferien die Nachmittage zur freien Verfügung und haben nun endlich die Zeit, auch Freundschaften außerhalb des Heimes aufzubauen und zu pflegen. Unser freier Tag in der Woche bleibt der Samstag.

Arbeit:

Ich sitze in meinem ventilatorgekühlten Zimmer und bin froh, der Hitze vorerst entkommen zu sein. Denn die Monate Dezember und Januar sind die beiden Sommermonate auf der Südhalbkugel und die Spitzentemperaturen liegen in Paraguay bei sommerlichen 45° Grad.

Deswegen sind die einzigen Ferien im Jahr auch zehn Wochen lang und dauern von Anfang Dezember bis Mitte Februar. Das bedeutet für uns, die Freiwilligen, die Erzieher und die Salesianer, die im Don Bosco Roga arbeiten, dass wir die Kinder, die nun auch den ganzen Vormittag Zeit haben, auf eine möglichst sinnvolle Art und Weise beschäftigen müssen.

Drei unserer Jungs in der Holzwerkstatt. Wie immer fleißig am Arbeiten.
Drei unserer Jungs in der Holzwerkstatt. Wie immer fleißig am Arbeiten.

Hierzu haben Anton, der zweite deutsche Freiwillige, und ich unsere Vormittage im November genutzt um die ehemalige Holzwerkstatt wieder herzurichten, die in den letzten drei Jahren, da sie nicht benutzt wurde, im paraguayischen Chaos untergegangen ist. Leider konnte uns niemand sagen, was mit dem Großteil der damals vorhandenen Werkzeuge passiert ist. Es hieß, dass sie wohl „verloren gegangen“ seien. Doch dank Ihrer und eurer Spenden konnten wir  die fehlenden Werkzeuge einkaufen, so dass wir nun vormittags von 9 bis 11 Uhr den Kindern der „Residencia“ Werkunterricht geben können.

Die Projekte, die wir bereits ungesetzt haben oder noch umsetzen wollen, sind unter anderem Brettspiele wie Dame, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht oder Mühle oder andere Spiele wie Wikinger-Schach und Stelzen bauen, aber auch Regale, Servierten Halter und Kleiderhacken. Hierbei ist uns wichtig, dass die Kinder selbst etwas erarbeiten, was sie nachher nutzen können.

AG Englisch und Erdkunde
Außerdem haben wir diese Woche angefangen den zehn Jungen, die über die Ferien nicht in ihre Familie gehen aber lesen und schreiben können, in einer Art AG Englisch und Erdkunde beizubringen. Einige Kinder sind wirklich interessiert und wir hoffen, ihnen in den Ferien neben all dem Fußball, Spielen im Pool und Ausflügen etwas vermitteln können. Aber auch hier haben wir wieder gemerkt, dass viele unserer Ex – Straßenkinder sehr große Probleme haben, sich über längere Zeit zu konzentrieren und zu lernen.

Die Analphabeten, von denen die ältesten bereits 14 Jahre alt sind, sollen morgens eine Stunde außerhalb des Heimes unterrichtet werden. Allerdings ist dies zum einen kompliziert, weil man jeden Morgen schauen muss, ob die Lehrerin Zeit hat oder ob es irgendwelche anderen Gründe gibt, warum der Unterricht verschoben wird oder ausfallen muss. Der andere Grund, der die Alphabetisierung so schwierig macht ist, dass einige Jungs in ihrer Zeit auf der Straße Drogen genommen haben, die so gravierende Schäden hinterlassen haben, dass sie seit zwei Jahren lesen lernen und dennoch keine nennbaren Erfolge zu verzeichnen sind.

Gerade die typisch paraguayisch fehlende Planung macht unsere Ferienprogramm sehr spontan, da wir jeden Morgen schauen müssen, welche Kinder gerade Zeit haben und welche Kinder noch irgendwelche anderen Aufgaben zu erledigen haben.

Die Nachmittage verbringe ich nach wie vor in der „Albergue“, dem Teil des Don Bosco Roga´s. Hier verbringen die Kinder ihre ersten vier Monate im Heim und sich an das Leben in einem sicheren sozialen Umfeld mit festen Regeln zu gewöhnen. Diese Woche (23. Dezember) werden fünf der anfänglich zehn Kinder in die „Residencia“ umziehen. Sie habe ich zusammen mit Erziehern, Tutor und Psychologe vier Monate begleitet .

Direkt hinter dem Präsidentenpalast am Flussufer liegt eines der Armenviertel von Asunción. Dort wurden Anton und ich von einer Frau gewarnt nicht weiter zu gehen, weil es hier zu gefährlich für uns sei. Dieses Viertel ist, wie wir nachher herausfanden, e
Direkt hinter dem Präsidentenpalast am Flussufer liegt eines der Armenviertel von Asunción. Dort wurden Anton und ich von einer Frau gewarnt nicht weiter zu gehen, weil es hier zu gefährlich für uns sei. Dieses Viertel ist, wie wir nachher herausfanden, e

In dieser Zeit habe ich die Jungs echt gern gewonnen und zu den Kindern starke Beziehungen aufbauen können, da ich fast jeden Tag mit ihnen verbracht habe. Außerdem habe ich ihre unglaubliche Entwicklung beobachten können. Denn die Straßenjungen, von denen der Großteil während der Zeit auf der Straße mit Diebstahl, Prostitution und Drogen in Berührung gekommen ist, haben sich anfänglich geschlagen, unterdrückt und gedemütigt, haben wo sie grad standen uriniert, auch dann wenn sie gesehen haben, dass sie uns damit ärgern können. Sie verhielten sich in vielerlei Hinsicht wie Tiere.

Doch nach nur vier Monaten in einem sicheren, sozialen Umfeld, der Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Essen und Hygiene und dem Zusammenleben mit Personen, die sie lieben und das täglich zeigen, haben sie sich zu schwierigen Kindern entwickelt. Natürlich bleiben viele Probleme, einige leider ein Leben lang, denn wie unser „Padre Director“ Anton und mir in unseren wöchentlichen Besprechungen erklärt hat, zerstört die Zeit in der Straße unglaublich viel in einem jungen Menschen. Das Vertrauen in andere Menschen wird völlig zerstört und es ist schwierig, das wieder aufzubauen. Einige der älteren Jungs können nach vier Jahren im Heim immer noch nicht den Menschen, mit denen sie leben, vertrauen.

Meine Aufgabe war, für die Kinder da zu sein. Wir haben viel gespielt, denn grade das hat den Jungen zwischen 11 und 14 Jahren in der Straße gefehlt. Ich habe mit einem Erzieher Mathe- und Spanisch-Aufgaben vorbereit und die Hausaufgaben der Vorschule mit den Jungen erledigt. Wir haben einen kleinen Garten angelegt, in dem sie Gemüse anpflanzen können. Wir haben das völlig unbrauchbar gewordene Volleyballfeld wieder aufgebaut, Rasen und Palmen gepflanzt und Mauern gestrichen. Wir haben das Haus der Kinder lebenswerter gemacht, wobei die Jungen selber immer mit viel Einsatz dabei sind.

Die andere Hälfte der Jungs, die die „Albergue“ angefangen haben, sind zum Teil in ihre Familien zurückgekehrt. Sie wurden im Don Bosco Roga aufgefangen und der Kontakt mit der Familie konnte wieder hergestellt werden. Oder sie sind auf die Straße zurückgekehrt.

Einer unserer Jungs vor dem Haus, in dem er mit seiner Familie gelebt hat. Auch ich durfte ein Kind auf seinem Familienbesuch begleiten und habe miterlebt aus welchen Verhältnissen und aus welcher Armut die Kinder kommen.
Einer unserer Jungs vor dem Haus, in dem er mit seiner Familie gelebt hat. Auch ich durfte ein Kind auf seinem Familienbesuch begleiten und habe miterlebt aus welchen Verhältnissen und aus welcher Armut die Kinder kommen.

Die Kinder, die wieder auf der Straße sind, sind meistens stark Drogen abhängig. Außerdem können sie in der Straße machen was sie wollen. Es gibt niemanden, der ihnen sagt, was sie machen sollen und ihnen Grenzen vorschreibt.

In diesen Fällen reden wir auf die Kinder ein und versuchen sie zum Bleiben zu überreden. Allerdings werden die Kinder im Don Bosco Roga nicht gegen ihren Willen festgehalten. Es herrscht das Prinzip der Freiwilligkeit. Die Kinder müssen hier leben wollen und das Heim der Straße oder ihrer Familie vorziehen.

„Communidad“ und Religion

Im Oktober wurde das alte Gebäude der Metall-Werkstatt, dass seit Jahren nicht mehr genutzt wird, in ein Haus der Freiwilligen umgebaut. Somit konnten sowohl Anton und ich als auch Amin und Guido, zwei paraguayische Freiwillige, die im kommenden Jahr selbst Salesianer werden wollen, Anfang November in das neue Haus umziehen.

Die Zimmer sind nach deutschem Verhältnis klein und rustikal. Nach paraguayischem Verhältnis aber schon fast luxuriös. Zum Vergleich: eine gute Freundin von mir schläft mit ihren elf Geschwistern und ihren Eltern in einem großen Zimmer.
Einer der Gründe, warum ich froh bin umgezogen zu sein: ich muss meinen neuen Duschkopf beim Duschen nicht mehr festhalten, so wie es in meinem alten Zimmer der Fall war.

Neben den örtlichen Veränderungen wird sich in unserer Kommunität zum Jahreswechsel auch personell einiges ändern. Ein Salesianer sowie die beiden paraguayischen Freiwilligen werden uns verlassen. Dafür bekommen wir von einem paraguayischen und zwei vietnamesischen Salesianern Unterstützung, die das kommende Jahr im Don Bosco Roga leben und arbeiten werden.

Anton und ich in dem Zeltlager mit einigen Jugendlichen der Salesianer. Dort habe ich mein altes Hofbräuhaus T-Shirt gegen ein Trikot der Nationalmannschaft getauscht.
Anton und ich in dem Zeltlager mit einigen Jugendlichen der Salesianer. Dort habe ich mein altes Hofbräuhaus T-Shirt gegen ein Trikot der Nationalmannschaft getauscht.

Im November haben hier 400 Jugendlichen der Salesianer für ein Wochenende gezeltet, was eine super gute Erfahrung für mich war. Denn ich habe viel Zeit mit gleichaltrigen Jugendlichen verbracht. Wir haben gelacht, getanzt, gesungen und über Gott und die Welt gesprochen. Anton und ich als Deutsche waren das Hi-Light des Zeltlagers und mussten wir am letzten Abend natürlich ein deutsches Lied singen. Also haben wir mit Gitarre und Mikrofon auf der Bühne vor 400 Menschen „Heute hier, morgen dort“ gesungen. Und als Anton nachher noch ins Mikro rief: „Cerro Campeón“ (Cerro ist einer der beiden großen Fußballvereine in Paraguay) jubilierte zumindest die eine Hälfte unsere neuen Freunde begeistert.

Ein weiteres schönes wenn auch unerwartet anstrengendes Erlebnis war unsere Pilgerwanderung nach „Caacupe“ am 8. Dezember. In der Woche rund um den 8. Dezember machen sich ca. 2 Millionen Menschen - ein gutes Drittel aller Paraguayer - auf den Weg, um die Jungfrau von „Caacupe“ um Beistand zu bitten. Auch wir haben uns direkt nach der Arbeit auf den Weg gemacht und sind in der Nacht vom 7. auf dem 8. Dezember gute fünf Stunden gewandert. Es war unglaublich Beeindruckend, so viele Menschen zu sehen. Alle Straßen nach „Caacupe“ waren voller Menschen. Die letzten 15 Kilometer konnten keine Autos mehr fahren . Ganze Familien kamen den weiten Weg aus allen Ecken des Landes, auch viele alte Menschen und Eltern, die den ganzen Weg ihre Kinder auf dem Arm trugen.

Freizeit und Ausreise

Ende Oktober 2011 habe ich eine dreitägige Reise unternommen, um zusammen mit Anton erste Eindrücke außerhalb der Hauptstadt Asunción zu sammeln.

Der Besuch der Wasserfälle von Yguasu. Atemberaubend!
Der Besuch der Wasserfälle von Yguasu. Atemberaubend!

Also haben wir unsere Rucksäcke gepackt und sind für 14 Euro mit dem Bus quer durchs Land gefahren, um in „Ciudad del Este“, die Stadt, die als Supermarkt Südamerikas bekannt ist, die brasilianische Grenze zu überqueren. Dort haben wir zusammen mit einem Engländer und einem Kolumbianer, die wir an der Grenze getroffen haben, eine gute Jungenherberge für die Nacht gefunden. Am nächsten Tag haben uns die unglaublichen Wasserfälle von Yguasu angeschaut, die nicht ohne Grund eines der sieben Weltwunder der Natur sind.

Nachdem wir dort staunend einen Tag verbrachten und viele Fotos gemacht haben, verabschiedeten wir uns von unseren neuen Freunden und sind ähnlich preiswert nach Argentinien gefahren. Wir besuchten zweibefreundete Freiwillige in ihrem Projekt  und die Jesuiten Ruinen von San Ignacio. Diese riesigen Siedlungen, die von den Jesuiten und Indigenas gegründet wurden, sind einfach beeindruckend. Am nächsten Morgen sind wir mit einem noch preiswerteren Bus zurück nach Asunción gefahren. Leider saßen wir dafür aber auch 6 Stunden in einem überfüllten Bus, in dem bei 35°C die Klimaanlage defekt war.


05.2012 - Halbzeit meines MaZ-Jahres

 

Hola!
Und viele Grüße an meine super Familie, alle meine lieben Freunde und an die Bekannten, an meine Spender und an alle, die diesen Rundbrief lesen.

Ich habe es endlich geschafft, mir ein bißchen Zeit zu nehmen um zu berichten, wie es mir grade geht. Seit meinem letzten Lebenszeichen ist viel passiert und ich habe versucht euch einige Einblicke zu geben und die wichtigsten Ereignisse zu schildern. Falls Sie und euch noch irgend etwas brennend interessiert schreibt mich an und fragt mich.

Vielen Dank an alle, die an mich denken, mir schreiben und ganz besonders an meine Lieblings -Eltern, die mich im April besucht haben. Das war eine super Erfahrung und ich habe die Zeit mit ihnen sehr genossen. Außerdem haben sie jetzt eine genaue Vorstellung wie es bei uns aussieht und können mich einigermassen verstehen, wenn wir telefonieren.

Man bekommt auch einen ganz guten Einblick, wenn man sich unser Video auf Youtube anschaut: http://www.youtube.com/watch?v=qy9mY6xXGlA

Allen noch eine tolle Zeit in Deutschland und meinen mit MaZlern noch eine schöne Zeit in ihren Einsatzstellen.

Wir sehen uns im August wieder,
euer Tobias

 


2012 -Rundbrief Nr. 3

Arbeit im Don Bosco Roga:

Das Jahr 2012 begann super. Nachdem ich mit einigen Freunden auf den Dächern im Zentrum von Asuncion Silvester gefeiert hatte, ging es für Anton und mich in die entscheidende Vorbereitung des „Campamento“.

 

„Campamento“

Denn schon wie im Vorjahr fuhren wir mit allen Kindern für eine Woche ins Ferienlager. Und da diese eine Woche im Januar die einzige Woche im Jahr ist, in der alle Erzieher Urlaub haben, lag es an Anton und mir, das Ferienlager für die zwanzig Jungen vorzubereiten. Da wir beide schon einige Erfahrung mit Ferienlagern hatten, stellten wir in gewohnter Routine einen Plan von Aktivitäten mit Spielen wie „Rettet den Planeten“ ,das „Stadtspiel“ und der berühmten „Chinesenrally“ auf.

 

Nach zwei Wochen intensiver Planung fuhren wir Mitte Januar mit sechs Salesianer, zwei deutschen Freiwilligen, einer Köchin und 20 Kindern nach Piribebuy, einer kleine Stadt im Landesinneren. Dort besitzen die Salesianer ein Gelände, dass von den salesianischen Schulen und dem Bon Bosco Roga für Ausflüge jedweder Art genutzt werden kann.

 

Bei 45° C freut man sich über jede Abkühlung
Bei 45° C freut man sich über jede Abkühlung

Das Grundstück ist traumhaft und eignet sich grade im Sommer gut für Ferienlager, da ein kleiner Fluss sich durchs gesamte Gelände schlängelt. Denn bei Temperaturen von 45° C, die wir in den Sommermonaten Dezember und Januar fast täglich hatten, war es notwendig, mindestens zweimal pro Tag mit den „Chicos“ schwimmen zu gehen. Dabei haben wir gemerkt, dass es gar nicht so selbstverständlich ist, dass man schwimmen kann. Sowohl einige der älteren Jungen als auch unsere beiden Salesianer aus Vietnam konnten nicht schwimmen und einmal mussten wir einen retten, da er eine tiefe Stelle übersehen hatte und plötzlich nicht mehr auftauchte.

 

Fußball ist tägliches Pflichtprogramm

Neben dem Schwimmen war natürlich auch das Fußball spielen tägliches Pflichtprogramm und auch unsere Ausflüge.

 

Wir konnten viele tolle Ausflüge machen
Wir konnten viele tolle Ausflüge machen

Jeden Nachmittag besuchten wir mit unserem Bulli einige Sehenswürdigkeiten. Dazu mussten wir allerdings erst einmal alle - wir waren 28 Personen - in den Bulli, der für 12 Personen vorgesehen ist. So war die Fahrt nie langweilig. Die Grossen nahmen die Kleinen auf den Schoß, einige standen oder saßen auf dem Boden. Und so besuchten wir den berühmten See von Ypacarai, alte Kriegsschauplätze, Museen, gingen Angeln, streichelten Krokodile - was im nachhinein ziemlich gefährlich war - und spielten, wo wir auch waren, immer Fußball.

 

Schöne Abendstunden

Besonders die Abende waren sehr schön. Wir haben viel gesungen, saßen am Lagerfeuer oder haben uns Witze erzählt. Die Witze wurden natürlich auf Guarani, der zweiten offiziellen Sprache Paraguays, erzählt, so dass jeder Witz freundlicherweise zweimal erzählt wurde, damit Anton, die beiden vietnamesischen Salesianer und ich auch mitlachen konnten. Denn trotz Sprachkurs werden wir „Ausländer“ diese indigene, komplizierte Sprache nie wirklich beherrschen scheint mir, da die Notwendigkeit fehlt und man alles auch auf Spanisch sagen kann.

 

Eines Abends kam es zu einem der vielen Stromausfälle, da das paraguayische Stromnetz im Sommer, dank der unzähligen Klimaanlagen, total überlastet ist. In der plötzlichen Dunkelheit inmitten der Natur bekamen die Jungs plötzlich unglaubliche Angst, hielten sich an den Händen und einer der Ältesten, ein 16-jähriger Junge fing sogar an zu weinen. Denn wie ein großer Teil der paraguayischen Bevölkerung glauben und fürchten sich unsere „Chicos“ vor den so genannten „Mitos“, den Waldgeistern Paraguays, die Menschen heimsuchen, Mädchen schwängern oder unvorsichtige Kinder verschwinden lassen. Doch zum Glück war der Strom nach einer halben Stunde wieder da und nachdem wir mit den Kindern einen Rosenkranz gebetet hatten, beruhigten sie sich wieder.

 

Das „Campamento“ war super schön und eine wichtige Erfahrung sowohl für mich und Anton als auch für die Kinder und alle Salesianer, da wir in dieser Woche als „Familie“ sehr stark zusammen gewachsen sind, gemeinsam viel Spaß hatten und uns noch einmal besser kennen gelernt haben.

 

Die Schulzeit beginnt wieder

Nach dem Ferienlager blieben uns noch zwei Wochen, um die Schulferien mit den Kindern zu genießen, in der „Carpinteria“, der "Holzwerkstatt“, zu arbeiten und täglich Fahrradtouren und Ausflüge zu machen. Denn als die Schule wieder anfing, begann auch der gewohnte Rhythmus der Jungs.

 

In der Regel besuchen sie von montags bis freitags morgens öffentliche Schulen außerhalb des Heimes – das paraguaysche Schulsystem ist unglaublich schwach. Die Schüler besuchen entweder morgens, nachmittags oder abends die Schule. In der Regel sind es aber für alle Altersklassen nur 4 Stunden Unterricht pro Tag und 30% beenden die 9 Basis – Schuljahre. Nur jeder Zehnte beendet die Schule mit einem dem Abitur gleich zu setzendem Abschluss und ist damit berechtigt, eine Universität zu besuchen. Besonders unsere Jungs, von denen einige - wenn sie mit 12 Jahren in unser Heim kommen - weder lesen noch schreiben können, haben es schwer das Versäumte nachzuholen.

 

Deshalb studieren wir täglich mit allen Kindern von 15 bis um 16:30 Uhr zusätzlich. Da es häufig vorkommt, dass die Lehrer keine Hausaufgaben aufgeben, bekommen die Jungs von uns Mathe- und Spanischaufgaben, beziehungsweise Schreib- und Leseübungen.

 

Orchester des Don Bosco Roga
Orchester des Don Bosco Roga

Um 12 Uhr essen wir Mittag und bis zur „Hora de Estudio“ haben die Jungs Zeit ihre Dienste zu erfüllen, wie z.B. Zimmer aufräumen, Essenssaal fegen, und vor allem unser großes Gelände in Schuss halten. Außerdem haben Kinder die Möglichkeit, ein Instrument ihrer Wahl zu spielen. Wenn sie gut genug spielen können sie am Orchester des Don Bosco Roga teilnehmen, dass zum größten Teil aus den Kinder des Viertels besteht und Teil des Jugendzentrums Don Bosco Roga ist.

Nach der „Merienda“ - dem Kaffee trinken, zu dem es jeden Tag Brötchen und Mate mit Milch gibt - haben wir bis um 19 Uhr Zeit Volleyball, Basketball, aber hauptsächlich Fußball zu spielen.

Mein Versuch den „Chicos“ Handball beizubringen ist leider schon im Ansatz gescheitert. Denn Handball ist in Paraguay ausschließlich Frauensport und von daher haben es die Jungs abgelehnt etwas auszuprobieren, das doch nur Frauen machen.

 

Beim "Buenas Noches“ - „Gute Nacht“ übersetzt - singen wir mit den Kindern einige Lieder
Beim "Buenas Noches“ - „Gute Nacht“ übersetzt - singen wir mit den Kindern einige Lieder

Ab 19 Uhr können sich die Jungs duschen und um 20 Uhr ist „Buenas Noches“. Im „Buenas Noches“ -  „Gute Nacht“ übersetzt - singen wir mit den Kindern einige Lieder, alle beruhigen sich und haben Zeit ein wenig über den Tag nachzudenken. Einer unserer beiden Patres erzählt etwas oder liest einen Text vor, der die Chicos zum Nachdenken anregen soll. Danach werden noch wichtige Information für den nächsten Tag gegeben und danach essen wir zu Abend.

Nach dem Abendessen können die Jungs bis um 22 Uhr fernsehen. Einige unterhalten sich lieber in ihren Zimmern oder gehen nach einem anstrengenden Tag früher schlafen. Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht habe, endet mein Arbeitstag.

 

Besuch einer Familie
Besuch einer Familie

In letzter Zeit helfe ich den beiden Tutoren, in dem ich zum Beispiel Kinder bei ihren Familienbesuchen begleite. Das ist immer besonders spannend. Da erfährt man, aus welchen Verhältnissen die Jungs kommen. Einmal besuchten wir die Mutter eines Jungen, die mit ihrer Tochter in einer vier Quadratmeter großen Blech-Hütte wohnte und leider nur Guarani sprach. Da meine Guarani-Kenntnisse für ein gesamtes Gespräch nicht ausreichen, musste ihr Sohn für uns übersetzen.

 

Vor einer Woche besuchte ich zusammen mit Marcos seinen Vater. Dieser sitzt wegen Mordes in „Tacumbu“, Paraguays größtem Gefängnis. Sein Vater hat sich riesig über unseren Besuch gefreut. Allerdings war es für mich und Marcos erschreckend zu sehen, wie sein Vater – er hat uns seine Gemeinschaftszelle gezeigt – und die anderen Gefangenen leben. Da gibt es wenig Vergleich mit deutschen Gefängnissen. Besonders der ärmere Teil des Gefängnisses, den wir nicht besuchen durften, ist total menschenunwürdig. Die Gefangenen dort bekommen ein bis zweimal am Tag etwas zu essen, schlafen mit 60 Personen in einem Zimmer und täglich sterben Menschen.

 

Erlebnisse außerhalb des Roga Bosco Roga

Zur Halbzeit unseres MaZ Jahres trafen wir uns in der ersten Woche im Februar mit allen MaZlern der Hiltruper Missionare und einigen weiteren Freiwilligen der Region in Lima, der Hauptstadt Perus, zum Zwischenseminar.

 

Wir alle genossen die Zeit im Oscar-Romero-Haus am Rand Limas, haben viel gelacht und es war angenehm, ein bisschen Abstand zu meinem Projekt zu bekommen. Wir konnten in Ruhe die erste Hälfte unseres Einsatzes reflektieren und über unsere Ziele und Wünsche für das restliche Einsatzjahr nachdenken. Dabei war es neben dem Programm fast genauso wichtig, sich mit seinen Mit-MaZlern auszutauschen, da viele ähnlich Probleme und Schwierigkeiten hatten. So konnten wir uns gegenseitig beraten und Tipps geben.

 

Wandern mit meinem Freund Johannes in den Bergen
Wandern mit meinem Freund Johannes in den Bergen

Nach dem Seminar habe ich die Gelegenheit genutzt und Johannes besucht, einen Freund, der in Trujillo, einer Küstenstadt im Norden Perus, in einem Projekt der Hiltruper Missionare mitarbeitet. Zusammen sind wir sowohl in den nahe gelegenen Bergen wandern gegangen, als auch im Pazifik schwimmen gewesen. So habe ich meine zweite Woche in Peru genutzt, um surfen zu lernen und bei Traumwetter Urlaub zu machen.

 

Besuch meiner Eltern

Mitte April stand ich gemeinsam mit Padre Raul am Flughafen von Asuncion. Er machte sich darüber lustig, warum ich denn so aufgeregt sei. Meine Eltern hatten ihr Weihnachtsgeschenk eingelöst und kamen mich für zwei Wochen besuchen.

 

Nachdem ich Mama und Papa nach 8 Monaten Abstinenz stürmisch begrüßt hatte, fuhren wir gemeinsam zum Don Bosco Roga. Dort freuten sich die Jungs ebenso über den Besuch und ich übersetzte alle Fragen, die unsere neugierigen Jungs an meine Eltern stellten.

 

 Sogar der Leiter des Don Bosco Roda, Pater Raul, spielte beim Fußball mit
Sogar der Leiter des Don Bosco Roda, Pater Raul, spielte beim Fußball mit

Die erste Woche nutzten meine Eltern, um die Kinder so gut es trotz Sprachproblemen ging kennen zu lernen und ich erklärte und zeigte ihnen meine Arbeit und mein Leben im Don Bosco Roga. Mein Vater nahm den Rat der langsamen Akklimatisierung nicht ganz ernst und so spielten wir am zweiten Tag mit den Jungs die erste Partie Fußball.

 

Alle Kinder haben sich riesig über die Gastgeschenke gefreut, die meine Eltern aus Olfen mitgebracht hatten. Vor allem die Fußbälle aber auch die vielen anderen Spiele wurden sofort genutzt.

 

„Ygausu“ - die größten Wasserfälle der Welt - liegen im Grenzbereich von Brasilien & Argentinien
„Ygausu“ - die größten Wasserfälle der Welt - liegen im Grenzbereich von Brasilien & Argentinien

Nachdem meine Eltern eine Woche im Don Bosco Roga mit gelebt hatten, erkundschafteten und bereisten wir in der zweiten Woche Paraguay. So besuchten wir die großen Sehenswürdigkeiten Paraguays, wie den „Itaipu-Staudamm“, die Wasserfälle von „Ygausu“ und die Jesuiten Ruinen.

Mit Schwester Virginia, von den Hiltropern Missionsschwestern besuchten wir die Ruinen
Mit Schwester Virginia, von den Hiltropern Missionsschwestern besuchten wir die Ruinen

Außerdem nahmen wir die Einladung der Hiltruper Schwestern im Süden Paraguays an.

Genau die Nacht, die wir bei den Schwestern übernachteten, war die erste kalte Nacht des Herbstes. Und da die Ordensschwestern in Demut und Armut mit den Armen leben, wohnen sie in einem Haus ohne Scheiben in den Fenstern und nichts als einfache Ziegeln auf dem Dach, so dass wir, obwohl es zwei Tage vorher noch tropisch warm war, diese Nacht stark froren.

Abschlussfoto mit meinen Eltern
Abschlussfoto mit meinen Eltern

Als wir nach Asuncion zurückkehrten hatten meine Eltern noch Zeit sich zu verabschieden und dann waren wir schon wieder auf dem Weg zum Flughafen.

Obwohl wir in diesen zwei Wochen viel erlebt hatten und ich die Zeit sehr genossen habe, vergingen sie doch viel zu schnell.